9. Dezember 2008

Bericht der Veranstaltung „Heroin, Kokain – Teufelszeug?“



Bericht zur dritten Veranstaltung der Reihe „Neue Wege in der Drogenpolitik“

„Alkohol ist schädlicher als Heroin!“

von Alexander Lang

Am heutigen Freitag, dem 06. Dezember, fand in der Landesgeschäftsstelle der GRÜNEN JUGEND Rheinland-Pfalz ein Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema „Heroin, Kokain – Teufelszeug?“ statt. Nach der von Peter Weiler von der Drogenberatungsstelle „Brücke“ geleiteten Veranstaltung fuhren die TeilnehmerInnen nach Frankfurt zu einer Besichtigung der „Konsumräume“ am Hauptbahnhof.

Die Veranstaltung war die dritte und damit letzte der Reihe „Neue Wege in der Drogenpolitik“. Diese von der GRÜNEN JUGEND Mainz organisierte Veranstaltungsreihe soll einen besseren Einblick in den Umgang mit Rauschmitteln in Politik und Gesellschaft liefern.

Mit 10 TeilnehmerInnen war die Veranstaltung weniger stark besucht als die vorherigen, inhaltlich ware sie aber mindestens genauso spannend.
Die Besonderheit der dritten Veranstaltung lag in ihrem Praxisteil, den die vorherigen Veranstaltungen nicht bieten konnten: Den Besuch Frankfurter Konsumräume.

Schon am frühen Samstag Morgen – um 10 Uhr – stimmte Peter Weiler die TeilnehmerInnen auf den Besuch der Konsumräume ein. Seine provokante These, Alkohol sei schädlicher als Heroin, begründete er mit den fehlenden negativen Folgen von Heroin auf den Körper: Schädlich am Heroin seien vor allem die Streckmittel, reines Heroin sei dagegen bis auf sein Suchtpotential für den Körper harmlos – Gehirnzellen zerstöre es nicht.

Auf dem Schwarzmark erworbenes „Heroin“ enthält in Wirklichkeit nur 3-7% reinen Stoff. Der Rest sind Streckmittel, die den Dealern höhere Einnahmen bescheren – verkauft wird schließlich nur ein undefinierbarer Stoff. Gips, Zucker oder Sand sind nur einige der harmloseren Streckmittel, die im erworbenen Stoff auftauchen. Eine kontrollierte Abgabe aller Drogen ohne Streckmittel würde hier einiges bewirken.

Weiter kritisierte unser erster Referent den Umgang mit Abhängigen: Die Abstinenz werde oft als einziger Weg zur Befreiung von der Sucht angesehen. Problematisch sei dabei, dass nur 2% der Abhängigen denken, dass sie süchtig seien und gleichzeitig aussteigen wollten. 98% der Betroffenen würden also von der Massnahme grundsätzlich nicht erreicht.

Peter Weiler ging zuletzt auf das Konzept der Drogenkonsumräume ein. Diese dienten weder zum Dealen, noch zum Tauschen oder Teilen. Erlaubt sei nur der Konsum – unter ruhigen, sterilen Bedingungen. Alte Spritzen könnten die Abhängigen dort gegen neue tauschen. Er lobt, dass dieses Konzept die Ausbreitung von AIDS und Hepatitis C in der Drogenszene erheblich eingedämmt habe.

Träger der eine Millionen Euro teuren Konsumräume am Frankfurter Hauptbahnhof ist die Stadt Frankfurt. Die Möglichkeit zum hygienischen Drogenkonsum entstand aus einer langen Verhandlungsphase zwischen Polizei, SozialarbeiterInnen sowie VertreterInnen von Stadt und Wirtschaft.

Im Anschluss an den Vortrag diskutierten die TeilnehmerInnen über das Konzept der Drogenkonsumräume und stellten viele Fragen dazu. Kurz erwähnt wurde auch noch die politische Dimension, Peter Weiler sah eine liberalere Drogenpolitik nur auf kommunaler Ebene als realistisch an.

Mit der Besichtigung der Konsumräume zeigte sich, wie das zuvor diskutierte Konzept in der Wirklichkeit umgesetzt ist. Nach einem kurzen Gang durch die Räume der Einrichtung referierten zwei Sozialarbeiter über die geschichtliche Entwicklung der Drogenszene in Frankfurt und den Weg zur Gründung der 13 Jahre alten Konsumräume.

Weiter gingen sie auf den rechtlichen Status der Konsumräume ein: Diese werden duch eine Landesverordnung ermöglicht, die es in Rheinland-Pfalz nicht gibt. Auf welchen Wegen sich SozialarbeiterInnen rechtlich vor Forderungen Dritter absichern, kam auch ins Gespräch. So sammeln die SozialarbeiterInnen Daten wie Namen und Wohnort von Erstbesuchern und lassen sie eine Hausordung unterschreiben.

Die Sozialarbeiter betonten dabei, dass sie auch einen „Ordnungsauftrag“ hätten, der diese Maßnahmen nötig mache, andernfalls sei die Existenz der Konsumräume gefährdet.

Beim Verlassen der Räume sorgte der Anblick von 15 KonsumentInnen, die gerade einen Schuss ansetzten, für eine Gänsehaut. Ein Konsumraum ist ein Ort, an dem mensch nicht landen will – zumindest nicht als AbhängigeR. Viele Menschen, die hierher kommen, haben eine lange Suchtkarriere hinter sich. Es gibt aber auch Ausnahmen: AnzugträgerInnen, die sich ab und zu mit Stoff versorgen.

Spätestens an diesem Punkt wurde allen klar, dass nicht die Droge das Problem ist, sondern der Umgang des Menschen mit ihr. Heroin und Kokain sind also nicht automatisch „Teufelszeug“, können aber durch den Menschen dazu werden.



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